Video-Text der Kassette des
Verbandes Schweizerischer Gerbereien   VSG

"Echtes Leder - eine feine Sache"

 

Heute hat die Umwelt vieles zu verkraften. Zahlreiche Tiere und Pflanzen werden verdrängt, der Mensch verschafft sich immer mehr Raum. Doch er hat auch gelernt, und die Wirkungsbeziehungen der Natur werden ihm wieder bewusster, und damit auch die Bedeutung der Produkte aus der Natur. Unersetzliche Gaben, die meist auch nicht nachgeahmt werden können. Sicher darf man echtes Leder als eine dieser Gaben bezeichnen. Ein Material, in dem man ein Leben lang geht. Von den ersten unsicheren Kinderschrittchen bis zum vorsichtigen Gang des alternden Menschen.

Leder ist immer dabei, sei es im Beruf, sei es bei Sport und Freizeit. Sogar in der Medizin, wo es massgeschneidert stütz und schützt. Leder ist natürliche Eleganz, es hat Charakter. Und ist zweckmässig, denn es ist verschleissfest, formbeständig und doch anpassungsfähig. Leder ist die glückliche Kombination natürlicher, technischer und ästhetischer Eigenschaften. Leder ist Haut. Und eine Haut ist eine Gabe der Natur.

Die Haut ist ein Organ, sie schliesst den Körper nach aussen ab. Zäh und elastisch schützt sie den Körper gegen äussere Einflüsse. Sie ist Sinnes- und Ausscheidungsorgan und reguliert den Wasserhaushalt des Körpers. Sie kann also z.B. schwitzen. Als äusserstes Netzwerk des Nervensystems kann sie viel empfinden: Temparatur-Unterschiede, Spannung, Druck, die zarteste Berührung. Und jucken kann sie auch. Haut ist ein netzartiges, kompliziertes Eiweissfaser-Gebilde.

Leder ist haltbar gemachte Haut und besitzt deshalb auch die Eigenschaften der natürlich gewachsenen Haut, insbesondere ihre Atmungsaktivität, das ausgeprägteste Merkmal des natürlich gewachsenen Organs - die Haut.

Es lässt sich natürlich nicht verschweigen, dass für echtes Leder irgendwer Haare lassen muss. Irgendwem wird also die Haut über die Ohren gezogen. Nun, sie sind natürlich friedfertige Menschen, die traditionsreichen Fachleute der Gerberzunft. Im Zeichen ihres Schutzpatrons, Sankt Crispin machen sie aus Tierhäuten eine feine Sache: eben echtes Leder.

Weltweit leben Tiere, die früher oder später, sei es durch Jagd oder Schlachtung, Ihre Haut lassen müssen. Und irgend einmal wird ihre Haut auch zu Markte getragen. Und so verschieden die Tiere, so vielseitig ist Leder. Natürliche Merkmale wie z.B. Falten und Adern gehören zum natürlichen Erscheinungsbild der Haut und damit des Leders. Augenscheinlichster Beweis für Natürlichkeit, für Echtheit.

Der Fachmann spricht von Häuten und Fellen. Worin liegt der Unterschied? Unter Häuten versteht der Gerber alle abgezogenen Umhüllungen von Grosstieren, aber auch von Reptilien aller Grössen. Felle nennt er alle abgezogenen Umhüllungen von Kleinvieh, wie Kälber, Ziegen, Schafe und Lämmer, aber auch jene echter Wildtiere und tropischer Geweihtiere. Unter allen Tiergattungen halten (als Hauterzeuger und gleichzeitig als wichtigster Proteinlieferant) die Rindviehrassen die einsame Spitze. Eine Grossvieh-Haut wiegt übrigens durchschnittlich rund 30 kg, ein Kalbfell im Vergleich dazu ca. 12 kg. Je länger je mehr bezieht der Schweizer Gerber auch Halbfabrikate, z.B. sog. Wetblues, aus dem Ausland. Und so unterschiedlich die Länder, so verschieden die Qualitäten.

Aber ist die Schweiz auch noch so klein, Häute und Felle schweizerischen Ursprungs sind von ausserordentlich hoher Qualität, zur Freude des Gerbers. Ein Grund dazu ist die fachmännische Vorsorge und Pflege durch die Tierhalter, unterstützt durch Institutionen wie die landwirtschaftlichen Dachorganisationen und Vororte, die mit grossen Anstrengungen wirken und beraten, sei es in Bezug auf Hygiene und Pflege, in der Krankheitsvorsorge oder der Bekämpfung von Häuteschäden.

Grossflächige Kuh- und Bullenhäute liefern exklusive Wohnlichkeit, denn praktisch alle grossflächigen Häute wandern in die Möbelleder-Fabrikation, wo man ganz besonders auch gepflegte, schadenfreie Exemplare angewiesen ist. Ziegenfelle kommen zu rund 2/3 aus Uebersee. Schaffelle sind in der Regel kräftiger und vielseitig verwendbar. Sie sind Rohstoff, z.B. für Schuhfutter und Sporthandschuhe. Uns als sogenanntes Lammnappa für exklusive Lederbekleidung. Exotisch schön sind die Häute von Krokodilen, Alligatoren, Eidechsen und Schlangen. Soweit sie heute noch verarbeitet werden, stammen sie übrigens, und dies sei hier deutlich vermerkt, fast ausnahmslos aus Zuchtfarmen. Ihr prozentualer Anteil ist natürlich relativ klein.

Nun, wer kam denn überhaupt erstmals auf die Idee, Tierhäute und Felle zu konservieren, d.h. also dauerhaft zu machen und zu nutzen? Zuerst sicher unsere Ur-Ur-Urahnen. Das mit Leder verbundene erste Risiko war ohne Zweifel die Tierjagd, sie brachte Fleisch und menschliche Bekleidung. Bereits die Aegypter kannten verschiedene Gerbarten. Ihnen ist auch das berühmte Pergament zu verdanken, eine Haut zum Schreiben. Wenn jemand sagt, das gehe auf keine Kuhhaut, bedeutet das ganz einfach: Es gäbe soviel zu schreiben, dass es eben auf keiner Kuhhaut Platz hätte. Auch die Geschichte echten Leders hätte auf keiner Kuhhaut Platz. Noch immer sind Leder und Pelze für viele Völker lebenswichtige Werkstoffe. Doch trotz gewisser länderbedingter Unterschiede sind die Grundzüge der Lederherstellung weltweit die gleichen. Zwar weiss der erfahrene Berufsmann, aus welchem Land und von welcher Tierrasse er welche Lederarten und Lederqualitäten erwarten kann. Solange die Haut aber noch Haare hat (und dies ist das eigentliche Risiko des Gerbers), kann er Qualität und Zustand der Haut im voraus nicht beurteilen. Das ist keine einfache Sache – für eine feine Sache.

Der aufwändige Weg von Haut zu edlem Leder führt über viele Stufen. Vorab werden die Häute eingeweicht, damit werden die gröbsten Unreinigkeiten abgelöst. In einer alkalischen Lauge werden dann die Haare zerstört. Dabei quillt das Fasergefüge auch mehr oder weniger stark auf. Dieser Vorgang heisst Aeschern. Dann gelangen die Häute zur restlosen Entfleischung in die Schermaschine. Es entsteht eine gereinigte Haut, die sogenannte Blösse. Der Schwellungszustand der Blösse macht es möglich, die Haut mit einer sinnreich konstruierten Maschine in der ganzen Fläche zu spalten. So entstehen bei entsprechend dicken Häuten der Narben-, der Mittel und der Fleischspalt.

Es gibt verschiedene Gerbarten und jede verleiht einen anderen Charakter: Vegetabil, also pflanzlich gegerbt, wird meist mit Extrakten aus Rinden, Hölzern, Früchten, Blättern und Wurzeln. Für die mineralische Gerbung setzt man Mineralstoffe ein, hauptsächlich Chromsalze, in zunehmendem Masse auch andere mineralische Substanzen.

Für die synthetische Gerbung wiederum werden, wie es der Name sagt, künstlich, also synthetisch hergestellte Gerbmittel verwendet. Der Gerbprozess geschieht vorwiegend in rotierenden, grossen Walkfässern. Die nassen Lederstücke kommen dann in eine Art Mange, in der Fachsprache Abwelkpresse, wo sie – wie der Gerber eben sagt – abgewelkt werden. Dies ist eine Art Hobelmaschine, man nennt sie Falzmaschine. Hier werden die abgewelkten Leder auf die gewollte gleichmässige Dicke gebracht. Nun wandern die Leder zurück in die Bäder zur Fettung, meistens auch zur Grundfärbung. Die Chromgerbstoffe machen die Leder unansehnlich blau/gräulich. Leder muss deshalb, wie der Gerber sagt, anilin-gefärbt werden. Bersonders schöne Häute werden übrigens, ohne wesentliche Weiterveredlung, in diesem anilin-gefärbten Zustand belassen. Sie sind sozusagen das Feinste vom Feinen. Ausser einigen ganz wenigen pflanzlich gegerbten Lederqualitäten werden praktisch alle Leder gefärbt.

Nach der Färbung wird getrocknet. Früher auf Holzstangen und in warmer Luft, heute mit Vakuum, oder auf Spannrahmen. Jetzt ist der Gerber schon recht nahe an der feinen Sache

Wir sagten: nahe an der Sache, denn jetzt erst beginnt die eigentliche Veredelung. Der Gerber nennt das "Zurichten". Er unterscheidet dabei zwischen chemischem Zurichten und mechanischem Zurichten. Dazu gehört u.A. das Stollen, d.h. das Wieder-Weichmachen der trockenen Leder durch Kneten, Biegen und Anfeuchten. Jetzt liegen die Leder flach. Ihre Oberfläche kann zu diesem Zeitpunkt wenn nötig noch etwas verbessert werden.

Die sogenannte Narbenprägung spielt in der mechanischen Veredelung eine grosse Rolle. Je nach Mode und natürlicher Beschaffenheit erhalten die Leder in einer Presse ein feines Narbenbild aufgeprägt. Diese Narbenprägung hat lediglich optische Zwecke und verändert natürlich die Lederqualität nicht.

Leder können auch geschliffen werden. Durch das Anschleifen der Narbenseite entsteht Nubuk, durch das Anschleifen der Fleischseite Velour. Das sogenannte Wildleder mit samtartiger Oberfläche ist in der Regel nichts anderes als angeschliffenes Leder. Und übrigens in den seltensten Fällen aus echtem Wildfell.

Fettgegerbtes Leder heisst oft "Hirschleder" und stammt meistens vom Schaf.

Die wohl augenscheinlichste Zurichteart ist das nachträgliche Aufspritzen von Pigmentfarbe, d.h. die Anwendung chemischer Mittel. Sofern fachgerecht und sparsam ausgeführt, hat auch dieser Vorgang keinen wesentlichen Einfluss auf die Lederqualität, insbesondere nicht auf das Atmungsvermögen der Leders. Zudem haben auch hier Entwicklung und Forschung moderne Pigmentfarben und Lacke hervorgebracht. Alles im Dienste der Umwelt zum einen, zum anderen im Dienste der handwerklichen Fingerspitzengefühls. Für eine feine Sache.

Leder braucht grundsätzlich wenig Pflege. Wenn aber Pflege, dann gilt sicher ein Grundsatz: Die natürlichen Eigenschaften des Leders müssen erhalten bleiben. Die Ueberlegung ist einfach: Echtes Leder atmet. Genauer gesagt, es ist Wasserdampf-aufnahmefähig. D.h.: es kann Feuchtigkeit, also Wasserdampf speichern und in einem natürlichen Regelmechanismus wieder abgeben. Behandelt man Leder mit einem irgendwie ungeeigneten Pflegemittel, ist der aufgetragene Pflegemittel-Film zu dicht oder wurde der Zurichtfilm gelöst, so verliert es seine ursprünglichen besonders wichtigen Eigenschaften.

Modern gegerbte und zugerichtete Leder dürfen weitgehend zu den pflegeleichten Materialien gezählt werden.

Und nun noch einige ganz praktische Hinweise: Schmutz an Schuhen befreit man immer noch am besten durch trockenes Bürsten oder feuchtes Abwischen. So bleibt das Leder atmungsfähig. Schuhpflegemittel sind sorgfältig zu wählen und sparsam aufzutragen. Qualität anstelle von Quantität! Strapazier-Schuhe sollen von Zeit zu Zeit mit dem geeigneten Mittel imprägniert werden. Uebrigens müssen Lederschuhe innen hin und wieder feucht ausgerieben, ausgelüftet und allgemein häufiger gewechselt werden.

Besonders einfach zu pflegen, sind echte Möbelleder. Dazu braucht es: ein mildes Seifenwasser aus reiner Seife oder ein geeignetes Reinigungsmittel und einen Lappen. Verunreinigungen werden schlicht und einfach leicht abgewischt und sanft trocken nachgerieben. Für angeschliffene Leder gibt es im Fachhandel besonders geeignete Hilfsmittel. Sie sehen, auch hinsichtlich der Pflege ist Leder eine feine Sache.

 

Leder in seiner Fülle natürlicher, durch Gerbung und Zurichtung konservierter Eigenschaften ist durch nichts zu ersetzen, auch nicht durch Syntheseprodukte.

Das zeigt sich vor allem beim Kind: Für Kinderschuhe ist nur Leder gut genug. Für Kinderschuhe, die in der Grösse natürlich dem Alter entsprechen sollten. Denn wächst das Kind, so wachsen auch die Füsse. Füsse, die ein Leben lang tragen müssen, Füsse in Schuhen aus echtem Leder. Eine feine Sache!

Ohne falsche Bescheidenheit, Leder ist eine feine Sache. Ein stilvolles, schönes Material, anpassungsfähig, schmiegsam, aber auch widerstandsfähig und zäh.